Europas Fußball durch Wettskandal erschüttert

Der europäische Fußball wird derzeit vom größten Wettskandal in seiner Geschichte erschüttert. Dabei reicht der Betrugsverdacht, nach Informationen der Ermittler, von der europäischen Königsklasse bis hin in die laufende Europa League.

In der Bundesrepublik sind insgesamt 32 Partien der 2. und 3. Bundesliga sowie Regional- und Oberliga betroffen. ebenfalls im Visiert der Fahnder sind acht weitere Länder, wo insbesondere Erstligaspiele betroffen sein sollen. Gut fünf Jahre nach den Wett-Betrügereien um Schiedsrichter Robert Hoyzer beschäftigen sich die Staatsanwaltschaft und Polizei damit, ein Korruptionsgeschehen ungeahnten Ausmaßes zu verfolgen.

Etwa 200 Spiele stehen unter Verdacht, es gebe “bisher über 200 Tatverdächtige“, teilten die Staatsanwaltschaft Bochum und die Polizei auf einer Pressekonferenz mit. Dabei sprachen sie aber erst von der Spitze eines Eisbergs. Peter Limacher, Leiter der UEFA-Disziplinarkommission, meinte: “Das ist der bisher größte Skandal im Fußball.”

In Deutschland seiner bisher 15 Verdächtige festgenommen worden, einer davon ist Ante Sapina. Sapina wurde in der Hauptstadt verhaftet, teilte Rechtsanwalt Stefan Conen der dpa mit. Der 33 Jahre alte Sapina war seinerzeit als mutmaßlicher Drahtzieher des Wettbetrugs um Hoyzer 2005 vom Landgericht Berlin zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden.

Die UEFA zeigte sich zufrieden mit den Ermittlungsergebnissen. “Andererseits sind wir aber auch zutiefst betroffen vom Ausmaß abgesprochener Spielmanipulationen internationaler Banden“, so Limacher. Ihre “uneingeschränkte Unterstützung” sicherte derweil der DFB und die DFL zu.

Im November des vergangenen Jahres wurden die Ermittler durch abgehörte Telefongespräche in der Rotlichtszene im Ruhrgebiet auf die Betrügereien aufmerksam geworden. Seit Anfang dieses Jahres stehen Partien, 32 davon in Deutschland, unter dringenden Manipulationsverdacht. Nach Angaben werden die Ermittlungen noch Monate andauern.

Nach bisherigen Stand der Ermittlungen sei die 1. Fußball-Bundesliga nicht davon betroffen, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei mit. Unter Verdacht stehen vier Spiele aus der 2. Liga3 Drittliga-, 18 Regionalliga sowie 5 Oberligaspiele. International seien drei Spiele der Champions League, zwölf Partien der neuen Europa League und ein Qualifikationsspiel zur U21- Europameisterschaft im Fadenkreuz der Ermittler.

Vertreter aus der Bundesliga äußersten sich geschockt über die Vorkommnisse. Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt sagte: “Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen. Ein Bundesligaspiel zu manipulieren, ist schlichtweg undenkbar.” Der Geschäftsführer des VfL Wolrfsburg, Jürgen Marbach, meinte dazu: “Diese Betrüger müssen drakonisch bestraft, ausgemerzt werden, weil es sonst unseren Sport kaputt macht.”

Der Präsident vom Zweit-Liga-Club Rot-Weiß Oberhausen, Hajo Sommers, erklärte, dass es ein “Irrglaube” sei, dass Wettmanipulationen aufhören und nur weil vor zwei Jahren mal zwei Betrüger aufgeflogen seien. “Solange gewettet werden kann und es geldgeile Menschen gibt, wird weiter versucht, auf diese Art zu betrügen“.

Der zuständige Staatsanwalt wollte aus “ermittlungstaktischen Gründen keine Namen der Verdächtigen und auch keine Spiele der beteiligten Clubs nennen.



Einen Bericht der “Neuen Osnabrücker Zeitung” zufolge, sollen Akteure des VfL Osnabrück in Manipulationen in der 2. Liga beteiligt sein. Demnach hat die Staatsanwaltschaft Bochum einen 34-Jährigen, der zusammen mit zwei Spielern von Osnabrück zwei Partien der vergangenen Saison manipuliert haben soll, als Drahtzieher ausgemacht. Bei den Spielen soll es sich um die Auswärtsauftritten des VfL beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai 2009 handeln. Am gestrigen Donnerstag soll der 34-Jährige festgenommen worden sein.

VfL-Präsident Dirk Rasch sagte, dass dem Club nicht bekannt sei, ob bei den betroffenen Spielen auch Ex-VfL-Spieler involviert waren. “Wir werden uns selbstverständlich für eine enge Zusammenarbeit mit dem DFB, der DFL und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stellen“, meinte der Präsident.

Auf den FC Augsburg sei bisher noch niemand mit Informationen oder Ermittlungen zugekommen, teilte der Zweitligist mit. Man wolle aber alles in für eine lückenlose Aufklärung tun, hieß es. Der ehemalige VfL-Spieler Nico Frommer, der heute für den RB Leipzig spielt, meinte dazu: “Gegen Nürnberg ist mir nichts aufgefallen. Gegen Augsburg gab es ein, zwei krasse Fehler von uns. Aber ob die wirklich mutwillig waren, so weit möchte ich nicht vorgreifen.” Auch Ex-Coach Claus-Dieter Wollitz zweigte sich geschockt: “Ich bin nicht nur erschüttert, sondern am Boden zerstört.” Wollitz sei immer davon ausgegangen, dass Hoyzer wäre ein Einzelfall. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen. ein Einzelfall war. Nun müsse man mit dem “Schlimmsten rechnen.”

Die Bande soll Spieler, Trainer, Umparteiische und auch Offizielle bestochen haben, um Spielausgänge zu beeinflussen. Im Anschluss daran wurde versucht, sehr hohe Geldbeträge bei europäischen und asiatischen Wett-Anbietern zu setzen. Hier sollen mehrere Millionen Euro an Gewinngelder eigestrichen worden sein. Nach derzeitigen Ermittlungsstand wurde von den betroffenen Wettbüros ein Gewinn von etwa zehn Millionen Euro ausgezahlt. Da die Erfolgsquote bei den manipulierten Wetten bei etwa 50 Prozent liege, fällt der Reingewinn niedriger aus.

Neben Deutschland sind Belgien und die Schweiz als weitere Länder ohne Erstliga-Bezug bekannt. In den Ländern Österreich, Bosnien, Kroatien, Ungarn, Slowenien und der Türkei stehen aber auch Erstliga-Spiele im Fokus. In sämtlichen Fällen bestehe entweder ein konkreter Verdacht oder es sei bereits Manipulation nachgewiesen worden.

Insgesamt wurden bisher 17 Verdächtige festgenommen, 15 allein in Deutschland und der Schweiz. Einige davon seien Drahtzieher. In Deutschland, Österreich, Großbritannien und der Schweiz wurden außerdem 50 Objekte durchsucht und Beweismittel sichergestellt. Schwerpunkte der Aktionen in Deutschland lagen in Berlin, Nürnberg und dem Ruhrgebiet. Ob die Hauptverdächtigen auch mit dem Hoyzer-Fall zu tun hatten, wollte die Staatsanwaltschaft nicht sagen.