“Straßenfußballer” Trochowski kommt in Fahrt

Beinahe über Nacht ist aus dem EM-Touristen Piotr Trochowski ein wahrer WM-Aspirant geworden. Satter Schuss, stark am Ball und endlich auch mit Kämpferherz.

Seit er sich in den Kreisen der DFB-Auswahl befindet hat man den gerade einmal 1,69 Meter großen HSV-Akteur so offensiv und selbstbewusst noch nicht gesehen: Beim ersten WM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein (6:0) hat er zwei Tore glänzend für Lukas Podolski aufgelegt. Nun hat er vor der Abreise nach Finnland seine Ansprüche für die zweite Qualifikations-Partie angemeldet. “Ich gehe davon aus, dass ich spielen werde“, so Trochowski.

Bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz ließ ihn Bundestrainer Joachim Löw keine Minute spielen – beim 2:0 gegen Belgien und beim Schützenfest gegen Liechtenstein gab Löw ihm gleich zweimal die Möglichkeit in der Startformation. “Wenn man mir das Vertrauen schenkt, kann ich einiges zurückgeben“, betonte der 24-jährige Mittelfeld-Akteur, der immer den Risiko-Pass sucht: “Es reicht, wenn ein Ball ankommt und wir 1:0 gewinnen.”


Bei der EURO gab er alles, trainierte gut, hoffte und war “traurig. Aber das ist Schnee von gestern.” Im Profi-Fußball zählt nur das Hier und Heute, und da schwärmen plötzlich alle von der starken linken Seite, vom dem Tandem Philipp Lahm/Piotr Trochowski. Übrigens standen die beiden vor fast zehn Jahren schon zusammen beim FC Bayern in der B-Jugend auf dem Platz. “Piotr war immer ein großes Talent“, sagte Lahm. Einige Experten in München hielten den in Polen geborenen Trochowski sogar für ein größeres Talent als Lahm und Bastian Schweinsteiger, die dann im Profi-Bereich durchstarteten, während Trochowski nach seinem Weggang zum HSV erst “jetzt richtig aufblüht“, wie Lahm sagte.

Ich wusste, dass der Knoten mal platzen wird“, sagte Trochowski in St. Gallen. Der begnadete Techniker, der sich selbst zur aussterbenden Spezies der “Straßenfußballer” zählt, scheint befreiter und beflügelt. Daber war weniger der Abgang von Rafael van der Vaart zu Real Madrid entscheidend, sondern der Wechsel von Huub Stevens zu Martin Jol. “Beim HSV hatte ich keine einfache Zeit“, verriet Trochowski rückblickend über die Stevens-Zeit. Dagegen schwärmt er über Übungsleiter Jol: “Martin Jol hat mich motiviert. Er will hundert Prozent sehen, alles aus mir herausholen. Der HSV hat mit ihm einen guten Griff gemacht.”


Auch Löw, der ihn seit dem Länderspiel-Debüt gegen Georgien (2:0) vor knapp zwei Jahren “an die Hand genommen hat“, wie Trochowski selbst bemerkte, hat ihn nach der schweren EM-Lehrzeit angestachelt. “Der Bundestrainer meinte, dass jetzt mehr von mir kommen muss.” Gegen Liechtenstein blitzte im 14. Länderspiel für Deutschland sein Können auf. In Helsinki will Trochowski “den Trend fortsetzen“, denn er spürt die Zeit des Umbruchs im DFB-Team, wittert seine Chance: “Ich werde versuchen anzugreifen.” (dpa)