Schalke sucht Wunderheiler – Rutten vor dem Ende?

Die Mannschaft ohne Leben, der Coach auf Abruf, der Vorstand abgetaucht und der Aufsichtsrat auf Managersuche: Beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 hat der Selbstzerstörungs-Prozess eine ungeahnte Geschwindigkeit erreicht.

Um die Königsblauen aber wieder ins Fahrwasser zu bekommen, bedarf es wohl eher eines Wunderheilers als eines sportlichen Leiters. Sogar der resigniert wirkende Trainer Fred Rutten, von dem keiner weiß, wie lange er in Gelsenkirchen noch unter Lohn und Brot steht, mahnte nach der wieder einmal katastrophalen Vorstellung seiner Schützlinge bei der 1:2-Heimschlappe gegen den HSV an, das nach der Entlassung von Manager Andreas Müller immer größer werdende Loch umgehend zu stopfen: “Das Beste wäre, so schnell wie möglich eine Wahl zu treffen. Aber mit Verstand, damit Schalke in den nächsten Jahren sportlich weiterkommt.”

Immer offensichtlicher wird, dass dem nach Auffassung vieler Experten fähigen niederländischen Übungsleiters der Nährboden für eine gedeihliche Arbeit durch die chaotischen Zustände bei S04 inzwischen vollkommen entzogen wurde. “Man hat gesehen, dass das Selbstvertrauen der Mannschaft nicht groß ist. Es passieren immer wieder Sachen auf Schalke. Und das hat doch Einfluss“, so der Coach, der inzwischen nur noch “von Woche zu Woche” plant und arbeitet. Auch wenn Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies, der die Managerfrage noch in dieser Woche klären will, betonte, man habe “über den Trainer überhaupt nicht diskutiert“, ist der Fußball-Lehrer seiner Sache wohl selber nicht mehr so sicher: “Ich habe noch ein Jahr Vertrag. Aber ich mache mir auch so meine Gedanken.”


Fast neidisch klang der 46-Jährige, als er meinte: “Viele Spieler sind jetzt erstmal bei ihren Nationalmannschaften. Manchmal ist es gut für die Köpfe, wenn man mal eine Woche weg ist von Schalke.” Unglücklicherweise kann Rutten sich selbst keine Auszeit nehmen, weil er (noch) alle Hände voll zu tun hat. Zwar ist die Saison kaum noch zu retten und es werde nach “dem richtigen Schlag” ganz schwer, die internationalen Plätze noch zu erreichen. “Aber wir haben noch neun Bundesligaspiele. Die können wir nicht wegwerfen“, betonte Rutten.

Selbst ein neutraler Beobachter wie DFB-Sportdirektor Matthias Sammer bezeichnete die “Gesamtsituation” auf Schalke als “lähmend”. Und obwohl er selbst dem Tönnies’schen Werben nicht nachgab, weil sein Werk beim DFB noch unvollendet sei, hält Sammer den Schalke-Job für äußerst attraktiv: “Gehen Sie mal in der Liga rum und fragen, wer gerne hier arbeiten würde: Da würden relativ viele die Hand heben“, betonte der Premiere-Experte. Schalke sei ein “seriös geführter Club“, man werde sicher einen “Topmanager” finden, glaubt Sammer.

Die Auswahl ist derweil überschaubar. Tönnies hat nach vielen Gesprächen den Kandidatenkreis auf ein Quartett reduziert: Top- Favorit ist weiter Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn. Das übrige Trio ist namentlich nicht bekannt. Mit Ex-Coach Huub Stevens, der im Club nach wie vor hohes Ansehen genießt und verfügbar wäre, hat Tönnies “noch nicht gesprochen“. Hartnäckig hielten sich bisher Gerüchte um Felix Magath, der mit dem VfL Wolfsburg im Titelkampf steckt, und Heribert Bruchhagen. Eintracht Frankfurts Vorstandsvorsitzender erklärte der Deutschen Presse-Agentur dpa aber klipp und klar: “Ich habe bereits vor 13 Tagen gesagt, wenn ich auf deren Liste als Nachfolger von Müller stehen sollte, bitte ich darum, mich zu streichen. Daran hat sich definitiv nichts geändert.”


Frei von derlei Sorgen läuft es beim unter Dauerbelastung stehenden HSV so rund, dass sich selbst Trainer Martin Jol wundert. Im DFB-Pokal sind die Hanseaten im Halbfinale, im UEFA-Cup unter den letzten Acht, und in der Liga punktgleich mit dem FC Bayern und Wolfsburg als Vierter nur einen Zähler hinter Spitzenreiter Hertha BSC. “Das ist einmalig“, sagte Jol. Dessen vor Selbstvertrauen strotzendes Team geht nach elf Spielen in 33 Tagen personell zwar am Stock. Doch eine taktisch kluge und disziplinierte Leistung genügte, um dank des Doppelpacks von Paolo Guerrero (71./75.), der schon am Donnerstag in Istanbul zweimal getroffen hatte, das zweite schwere Auswärtsspiel in nur 72 Stunden zu gewinnen. “Wenn wir weiter so konzentriert bleiben, können wir was mitnehmen in dieser Saison. Wenn du Titel gewinnst, ist das was ganz Großes“, sagte Torhüter Frank Rost an alter Wirkungsstätte zufrieden.