Pulverfass Bochum: Kollers Stuhl wackelt

Die Anhänger toben vor Wut, die Akteure ratlos und kleinlaut, die Vereinsbosse unter Rechtfertigungsdruck. Einzig der Chefcoach scheint trotz extrem gereizten Stimmung beim Fußball-Bundesligisten VfL Bochum ruhig und gelassen wie immer, obwohl er auf einem Pulverfass sitzt.

Der 48-jährige Schweizer gab sich nach der 2:3 (2:1)-Schlappe vor eigenem Publikum gegen den Aufsteiger FSV Mainz 05 am gestrigen Samstag unbeeindruckt von den ausartenden Fan-Protesten direkt vor der Arena. “Koller raus” und “Wir haben die Schnauze voll” brüllten zahlreiche erboste Fans, die sich direkt nach der Partie versammelt hatten. Die Polizei zeigte mit Hundertschaften Präsenz, um die Lage unter Kontrolle zu halten und eine Eskalation zu vermeiden.

Vereins-Sportvorstand Thomas Ernst gab die Stimmung treffend wieder: “Das ist keine einfache Situation für den Verein. Es baut sich eine Wand auf. Wir laufen Gefahr, die emotionale Bindung unserer Fans zu verlieren.” Gleichzeitig warnte er aber auch vor einer Kurzschlussreaktion: “Wir müssen das erstmal verdauen und vernünftig miteinander reden. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich jetzt keine Trainerdiskussion anfangen will.”

Natürlich belastet auch Koller der abermalige Fehlstart des VfL, der mit nur vier Punkten aus sechs Saisonspielen bereits auf einen Abstiegsplatz rutschte. Doch der Schweizer ist niemand, der sein Innerstes nach außen kehrt. Obwohl er ahnte, dass es diesmal wirklich eng werden könnte für ihn, gab er sich weiter kühl und analytisch. “Natürlich sind die Pfiffe und Rufe nicht angenehm. Aber ich muss als Trainer nach Lösungen suchen und sehen, dass die Spieler nächstes Mal wieder mit einer positiven Einstellung auf das Feld gehen.”

Die Frage, ob er noch das Vertrauen der Clubführung genießt, konnte Koller nur ausweichend beantworten. “Wir werden wie immer Gespräche führen. Die Verantwortlichen werden sich das Ganze anschauen. Ich weiß nicht, wie sie entscheiden werden. Aber sie werden entscheiden: Kann es so weitergehen oder nicht“, sagte der Coach, der betonte, dass der VfL angesichts der bescheidenen Mittel kaum einen anderen Anspruch erheben könne, als “immer gegen den Abstieg” zu spielen. “Zuletzt hat Bochum dreimal mit mir die Klasse gehalten.”

Die Mannschaft scheint weiter zum Coach zu stehen, der sich in seiner mehr als vierjährigen Amtszeit stets als krisenfest erwiesen hat und den Schutz von Clubchef Werner Altegoer genoss. “Die Koller- Raus-Rufe machen die Sache für uns nicht einfacher“, gestand Christoph Dabrowski. Diego Klimowicz und Philipp Bönig betonten im Gleichklang: “Es gibt kein Problem zwischen Trainer und Mannschaft.” Bönig stellte in Aussicht, dass man im Pokalspiel an diesem Dienstag gegen Schalke 04 “vieles reparieren” könne. Es könnte für Koller ein Endspiel werden.

Für den Aufsteiger erwies sich Bochum einmal mehr als willkommener Gegner: Fünf Erstliga-Duelle – fünf Siege für Mainz. Vor nur 16.225 Zuschauern im rewirpower-Stadion – Bochum laufen die Fans, bei denen Koller jeglichen Kredit verspielt hat, in Scharen davon – konnte die Rheinpfälzer nach Toren von Mimoun Azaouagh (7.) und Diego Klimowicz (45.+1) jeweils durch Andreas Ivanschitz (45.) und André Schürrle (52.) ausgleichen. Mit seinem zweiten Bundesligator wurde der 18 Jahre alte Amateurspieler Schürrle (71.) zum umjubelten Matchwinner. “Das war bisher der Höhepunkt meiner Karriere“, sagte Schürrle. Als Lohn soll das Talent in dieser Woche einen Profivertrag erhalten.