Löw beordert Ballack zum Gespräch nach Deutschland

Bundestrainer Joachim Löw hat den aufmüpfigen Nationalmannschaftskapitän “zeitnah” zu einem Gespräch nach Deutschland beordert – über die Konsequenzen für Michael Ballack will Löw nach einem Vier-Augen-Gespräch entscheiden.

Auf jeden Fall bestehe ich darauf, da es einige Dinge zu klären gibt“, so der Übungsleiter. “Alles Weitere wird man dann sehen, das hängt natürlich auch im starken Maße von diesem Gespräch ab.” Sollte der DFB-Team-Leager nicht von seinem Konfrontations-Kurs abweichen wollen, scheint der Coach auch vor einer harten Strafe oder gar Suspendierung nicht zurückzuschrecken. “Es hat kein Spieler, auch nicht der Kapitän, das Recht, in Sachen Aufstellung oder Personalpolitik den Trainer zu kritisieren oder sogar öffentlich Stimmung gegen das Trainerteam zu machen“, teilte Löw mit.

Rückendeckung erhielt der Trainer bereits von DFB-Präsident Theo Zwanziger. “Das Ganze ist komplizierter. Dadurch ist eine schwierige Situation entstanden“, sagte der Verbandschef. Der Bundescoach weiß ganz genau um die Gefahr für den Mannschafts-Frieden, bereits jetzt hat das öffentliche Ansehen der DFB-Auswahl einige tiefe Kratzer abbekommen: Zwar ist das Team sportlich auf besten Weg in Richtung WM 2010 in Südafrika – aber Konflikte auf Nebenschauplätzen stören immer mehr. “Es ist sicher nicht von Vorteil, wenn man wieder so eine Diskussion hat mit Trainer und Kapitän“, meinte FC-Bayern-Profi Miroslav Klose.


Nach dem EM-Finale waren bereits Ballack und Manager Oliver Bierhoff in einen heftigen Clinch geraten, ein gefrusteter Kevin Kuranyi flüchtete in der Halbzeitpause des WM-Qualifikationsspiels gegen Russland, ein unzufriedener Reservist Torsten Frings beschäftigt sich mit Rücktritts-Gedanken. Und jetzt setzte sich Ballack vehement für seinen langjährigen Wegbegleiter Frings ein und warnte vor einem überstürzten Umbruch im DFB-Team. Das sei so auch inhaltlich “nicht akzeptabel“, betonte Löw, jeder Spieler kenne die Regeln: “Das lasse ich mir auch nicht gefallen.”

Löw wird deshalb auch im “Fall” Frings seinen konsequenten Kurs beibehalten. Es gehe natürlich nicht, dass ein Spieler – egal wie viele Länderspiele er auch hat – in dem Moment, wo er auf der Bank sitzt, von mangelndem Respekt oder sogar von Demütigung spricht, machte der Bundestrainer klar. “Über allem bei uns steht der Leistungsgedanke. Und wenn jemand glaubt, dass er nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen will, werden wir ihn nicht dazu zwingen. Weder mit Waffengewalt noch mit Geld“, sagte Löw.

Das ist ein Mimosenhaufen geworden, das ist schier unglaublich. Die sollen ihren Mund halten und Fußball spielen“, wetterte der ehemalige DFB-Teamchef Franz Beckenbauer über die derzeitigen Empfindlichkeiten der besten deutschen Fußballer. Ballack fühlt sich und andere langjährige Stützen wie Frings oder Klose nach der Europameisterschaft zu Unrecht öffentlich infrage gestellt: “Das ist der Trend, den ich seit einigen Wochen beobachte. Dass versucht wird, einigen Spielern im Team ans Bein zu pinkeln, und einige auf diesen Zug aufspringen wollen“, sagte der DFB-Kapitän in der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”. Offenbar erwartet Ballack vom Bundestrainer in dieser Frage eine deutlichere Positionierung.


Löw aber hat nach den persönlichen Erfahrungen bei seinem ersten großen Turnier als Hauptverantwortlicher in einigen Fragen eine Kurs-Korrektur vorgenommen und setzt das Leistungsprinzip nun wesentlich schärfer als in der Vergangenheit um. Torwart Jens Lehmann machte er zum DFB-Rentner, EM-Problemfall Christoph Metzelder musste zunächst auf die Ersatzbank und wurde gegen Russland (2:1) und Wales (1:0) gar nicht mehr in den Kader berufen.

Es gebe aber auch genug Beispiele, “wo die Spieler immer wieder Rückendeckung von uns bekommen haben – schauen Sie sich allein Miroslav Klose an“, unterstrich Löw. Am Bayern-Stürmer hatte der Bundestrainer vor dem Spiel gegen Finnland trotz massiver öffentlicher Kritik festgehalten – Klose traf beim 3:3 dreimal. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) steht voll hinter dem Löw-Kurs und möchte mit dem 48-jährigen Badener auch nach der Weltmeisterschaft 2010 weiterarbeiten. “Aus meiner Sicht würde ich den Vertrag sofort verlängern“, sagte DFB-Chef Zwanziger, der Ballack für Verbesserungs-Vorschläge dringend den direkten Weg zu Löw anriet.

Ballack, der noch immer seinem ersten großen internationalen Titel hinterher rennt, sieht in einem zu heftigen Umbruch auch sein persönliches Ziel gefährdet: “Ich will mit dieser Mannschaft Weltmeister werden. Und das ist möglich.” Beim völlig missratenen EM-Auftritt 2000 habe er als junger Spieler aber beobachten können, “wie eine Mannschaft mit guten Fußballern nicht funktionierte, weil die Hierarchie nicht stimmte“. Spieler müssten von sich aus in eine Führungsrolle wachsen: “Man sollte vorsichtig sein, Spieler in eine Position zu drängen“, betonte Ballack. Zwar sei es “völlig in Ordnung“, wenn der Bundestrainer fordert, junge Spieler sollen mehr Druck machen. “Wir dürfen das Spiel aber nicht zu weit treiben.”

Löw verwies ausdrücklich auf die klar abgesteckten Kompetenzen: “Mangelnden Respekt lassen wir uns als Trainerteam niemals vorwerfen. Offenbar hat sich in unseren Reihen so eine Stimmung breitgemacht, dass man Respekt automatisch mit einer Stammplatzgarantie verbindet.” In den wenigen Wochen bis zum Klassiker gegen England am 19. November in Berlin muss Löw nun eine neue Basis für die Zusammenarbeit mit Ballack finden, ohne dass seine Autorität leidet – wohl eine der schwersten Aufgaben in seiner Zeit als DFB-Chefcoach. (dpa)