WM 2010: Star-Aderlass schmerzt

Taxi-Fahrer Jack haut vor Wut aufs Lenkrad und schimpft so sehr, dass sein Fahrzeug gleich zwei Mal auf die Gegenfahrbahn gerät. Der Fahrer in der beschaulichen Urlaubsstadt Knysna gut 500 Kilometer östlich von Kapstadt schimpft lauthals: “Wirklich Mist, dass der Ronaldinho nicht nach Südafrika kommt.”

Dabei ist nicht nur Jack sowie zahlreiche Anhänger sauer über die Entscheidung von Brasiliens Nationalcoach Carlos Dunga, den Star einfach mal auszusortieren. Der etwas ungewöhnliche Star-Aderlass bei der WM 2010 in Südafrika, mit Ausfällen von Michael Ballack, Alessandro del Piero, Michael Essien, David Beckham und Juan Riquelme schmerzt neben den Akteuren und Sponsoren auch im Portemonnaie.

So versicherte unter anderem der Inhaber der Firma Wolff Sports & Marketing, Fábio Wolff, dass Ronaldinho eine Menge Geld durch die Lappen geht. Hätte sein Hauptsponsor (Nike) früher gewusst, dass der Star die WM nur am TV verfolgen wird, “hätte man andere Werbestrategien entwickelt“, meinte der Marketing-Fachmann. Landsmann Rafael Plastina stimmt im Interview mit brasilianischen Medien zu: “Wenn man bei der WM nicht dabei ist, wirkt sich das direkt auf das Bankkonto aus.”

Während der vom Premier-League-Club FC Chelsea überraschend ausgemusterte Kapitän der DFB-Auswahl, Ballack, seine Verletzung in Florida auskuriert, schmollt Ronaldinho in seiner südbrasilianischen Heimatstadt Porto Alegre. “Ich werde mir keine Spiele im Fernsehen anschauen. Ich mag spielen, nicht zugucken.” Dabei ist der 30-jährige Angreifer vom AC Mailand bei weitem nicht der einzige Star, den sein Coach Dunga aussortierte. So verbannte er Pato, Adriano, Robert Carlos, Diego und den immer dicker wirkenden Ronaldo auf die Tribüne. Ronaldo wird derweil die WM 2010 via Twitter kommentieren.

Englands Beckham ist nach seinem Achillessehnenriss zumindest als Glücksbringer in Südafrika. Beckham sah sich derweil ein Testspiel von Gegner USA an. Englands Cheftrainer betonte aber, dass er nicht dem Trainer-Stab angehöre. Der verletzte Mannschaftskapitän Rio Ferdinand ist auch im WM-Quartier seiner Mannschaft anwesend und hat sich mit seiner Situation abgefunden: “Es ist ja nicht so, dass ich sterbe.” Zudem muss England auch auf seinen Angreifer Michael Owen. Völlig überraschend gab Capello Jungstar Theo Walcott den Laufpass.

Argentiniens Trainer Diego Maradona geht es in seiner Heimat nicht anders als Dunga in Brasilien. Fans und Medien stellten Maradona an den Pranger, nachdem er Publikumsliebling und Spielmacher Juan Román Riquelme ausmusterte. Zudem verzichte er auch auf die Champions-League-Sieger Javier Zanetti und Esteban Cambiasso von Inter Mailand. Titelverteidiger Italien tritt ohne Francesco Totti und Alessandro Del Piero, die Marcello Lippi kurzerhand in den internationalen Ruhestand schickte. Sampdoria- Stürmer Antonio Cassano sagte derweil “Nein” zur WM 2010, weil er seiner Verlobten im Juni das “Ja”-Wort geben will.

Der umstrittene Chefcoach der Franzosen, Raymond Domenech, wusste wieder einmal zu überraschen, als er Karim Benzema oder Routinier Patrick Vieira zu Hause ließ. Bondscoach Bert van Maarwijk läßt HSV-Star Ruud van Nistelrooy von zu Hause. Andere Ballartisten können sich die WM nur anschauen, weil sich ihre Teams schlicht und einfach nicht für die WM-Endrunde qualifizierten, wie zum Beispiel der Schwede Zlatan Ibrahimovic.

Ganz besonders hart trifft die Verletzungsseuche, die unter anderem die WM-Träume von Ballack, Beckham & Co. platzen ließ, die afrikanischen Mannschaften. Bei der ersten Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent fehlen gleich die drei Superstars. So steht ganz sicher fest, dass Ghanas Michael Essien und der Nigerianer John Obi Mikel bei der WM nicht mitwirken können. Anders ist es dagegen beim Ivorer Didier Drogba, der nach seinem Ellebogenbruch im Testspiel gegen Japan ebenso hofft, wie der Holländer Arjen Robben vom FC Bayern.