Torrichter-Test in der Europa League

Der zum Auftakt der Europa-League erstmals durchgeführte Torrichter-Test entwickelt sich offenbar zur geheimen Kommandosache und sorgte auf einigen Plätzen zudem bei Profis und Cheftrainern für Erheiterung und Ärger.

Einziger deutscher Referee bei dem Test war Knut Kircher aus Rottenburg, der der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sagte: “Jetzt haben wir wirklich einen Maulkorb. Wir haben von der UEFA extra nochmal eine Mail bekommen, dass wir über das Experiment nichts sagen dürfen.”

Bei der peinlichen 0:3-Pleite des Bundesliga-Tabellenführers Hamburger SV bei Rapid Wien bekam Defensivmann Jerome Boateng in der 41. Minute das Spielgerät an die Hand. Über Headset verständigten sich der Schiri Ivan Bebek aus Kroatien und sein Torrichter darauf, dass dies kein absichtliches Handspiel war und damit auch der Elfmeterpfiff ausblieb. HSV-Chefcoach Bruno Labbadia sagte dazu: “Die sind nicht aufgefallen, also waren sie gut.” Etwas anders sah es Rapid-Trainer Peter Pacult, der das Ganze mit Wiener Schmäh bedachte: “Da stehen halt Zwei mehr unnütz herum. Ich denke nicht, dass es das Spiel zusätzlich belastet, wenn da zwei Pinguine mehr auf dem Platz herumlaufen.”

Eher unzufrieden mit der Torrichter-Premiere war auch Werder Bremen nach dem 3:2 bei Nacional Funchal – vor allem Aaron Hunt, der beim Stande von 2:2 an der Strafraumgrenze gefoult worden war, aber weder einen Freistoß noch einen Elfmeter zugesprochen bekam. “Im Grundsatz sind die sechs Schiedsrichter keine schlechte Sache, aber dann müssen sie auch solche Sachen sehen wie den klaren Elfmeter“, meinte der verärgerte Stürmer. Torwart Tim Wiese sagte: “Vorher dachte ich, dass das Sinn machen könnte, aber nach dem heutigen Eindruck halte ich sie für eher überflüssig.” Das Ganze müsse sich eben noch einspielen, meinte Torsten Frings gelassen. Club-Chef Klaus Allofs hatte schon vorher geahnt: “Wenn wir fünf verschiedene Meinungen haben, dann wird’s kompliziert.”

Der 40-jährige Kircher leitete die Partie zwischen Benfica Lissabon und BATE Borissow (2:0) und hatte neben seinen Assistenten Kai Voß und Robert Kempter auch noch Jochen Drees als “vierten Mann” und die beiden Torrichter Markus Schmidt und Peter Sippel dabei. Die sollen nicht nur darauf achten, ob der Ball im Zweifelsfall die Torlinie überschritten hat oder nicht, sondern auch bei anderen strittigen Situationen helfen.

Es bleibt alles beim Alten!”, kritisierte die portugiesische Zeitung “Correio da Manha”. Keiner der beiden Torrichter habe beim Benfica-Spiel die Gelegenheit ergriffen, seinen Nutzen unter Beweis zu stellen. Einer habe ein Foulspiel im Strafraum gegen Lissabons Stürmer Oscar Cardozo, der andere ein Handspiel eines Verteidigers von BATE Borissow übersehen. “Ein guter Schiri, der aber nur schlecht unterstützt wurde“, bilanzierte das Blatt.

Beim 1:1 zwischen Hertha BSC und Lettlands Meister FK Ventspils traten die Torrichter nicht groß in Erscheinung. Vor dem Anpfiff bot sich jedoch nicht nur den 13.454 Zuschauern, sondern auch den Profis ein neues Bild. “Es ist etwas ungewohnt, wenn da plötzlich fünf Schiedsrichter stehen und man ihnen vor dem Spiel die Hand geben muss“, sagte Nationalspieler Arne Friedrich.

Die Torrichter sollen in den 144 Gruppenspielen der Europa League getestet werden, danach gibt es einen Abschlussbericht. Ob die zusätzlichen Assistenten eingeführt werden, entscheidet dann das für Regelfragen zuständige International Football Association Board. Zu einer Stellungnahme nach dem ersten Probelauf waren am Donnerstag weder die UEFA noch der Weltverband FIFA bereit. Die Verantwortlichen beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) haben längst klar gemacht, dass sie die Lösung mit dem Chip im Ball favorisieren.