Rutten der ruhende Pol in Schalker Krise

Beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 herrscht angesichts der sportlichen Misere Unruhe. Nur Chef-Trainer Fred Rutten bleibt erstaunlich ruhig.

Mit einer beinahe schon bemerkenswerten Gelassenheit und einer gehörigen Portion Sturheit versucht der Übungsleiter alle Störfaktoren im emotionsgeladenen Umfeld auszublenden um konzentriert die Arbeit mit seiner Elf zu verrichten. Dabei lassen ihn offenbar auch sämtliche Diskussionen und Spekulationen um seinen baldigen Abschied aus Gelsenkirchen völlig kalt. “Das ist doch schon das dritte oder vierte Mal, dass es mein letztes Spiel sein soll. Daran habe ich mich hier schon gewöhnt, es beschäftigt mich nicht weiter. Team und Vorstand stehen hinter mir“, sagte der Coach.

Dabei kann man nur ahnen oder direkt nach einer Pleite an seinem Geschichtsausdruck erkennen, wie es dem 46 Jahre alten Fußball-Lehrer wohl gehen mag. Egal wie schlecht es läuft, Rutten lässt sich niemals herab, einzelne Akteure als Sündenbock herauszunehmen und in der Öffentlichkeit an den Pranger zu stellen. Das er aber von der kompletten Truppe über die schwache Gesamtleistung enttäuscht ist, daraus macht er keinen Hehl. “Es ist eine Katastrophe“, sagte er nach dem Ausscheiden aus dem DFB-Pokal beim Zweitligisten Mainz 05.

Sobald Fanproteste gegen einzelne Profis (wie Kevin Kuranyi) oder den bereits als Hauptschuldigen für die Talfahrt ausgemachten Manager Andreas Müller aufkommen und zu eskaliere drohen, stellt sich der Trainer schützend vor die Profis und seinen “Boss”. “Ich bin verantwortlich dafür, ob wir gewinnen, verlieren oder unentschieden spielen.” Auch nach dem bittere UEFA-Cup-Aus bei seinem Heimatverein Twente Enschede, betonte Rutten, dass er weiter “Spaß” an der Arbeit habe. “Aber ich hätte noch mehr Spaß, wenn die Ergebnisse besser werden.”


Sind sie aber nicht. Und da liegt das Problem. Müller, der Rutten aus dem beschaulichen Enschede ins Haifischbecken Bundesliga holte, ist wie der übrige Vorstand nach wie vor von der Qualität des zurückhaltenden, aber intern kommunikativen Trainers überzeugt. Doch nicht nur der Manager rätselt, warum der Gewöhnungsprozess zwischen Team und Coach so lange – vielleicht zu lange – dauert. Fortschritte beim Versuch, ein langfristiges Konzept umzusetzen und gleichzeitig kurzfristig Erfolge zu feiern, sind derzeit nicht sichtbar. Selbst Müller räumt ein: “Es war uns klar, dass sein Konzept nicht von heute auf morgen greift. Ein halbes Jahr hatten wir eingeplant. Mit Rückschlägen dieser Dimension hatten wir nicht gerechnet.”

Offenbar war die Einschätzung falsch, die Erwartungen an Rutten und die Mannschaft zu groß. Jürgen Klinsmann, der bei den Bayern jeden Stein umdrehte, geht mit einem besser besetzten und weit teureren Kader durch ähnliche Talsohlen. Lucien Favre brauchte bei Hertha BSC mehr als ein Jahr, bis sich der Erfolg einstellte. Nun erntet der Schweizer die Saat und thront mit Berlin an der Spitze. Vielleicht stimmt trotz aller Zweifel ja doch die Einschätzung derer, die Ruttens Erfolgsweg in Holland jahrelang verfolgten. Twentes Clubchef Präsident Joop Munstermann formuliert es so: “Fred braucht Zeit. Aber wenn man ihn seine Arbeit machen lässt, wird man noch viel Freude haben.” Die Frage bleibt: Wie viel Zeit hat Rutten noch?