Beim Bundesliga-Dino Hamburger SV herrscht nur wenige tage vor dem Start der Saisonvorbereitung ein erschreckendes Durcheinander. Erst machte der Trainer einen langen Schuh, dann der Manager. Einen Monat nach dem etwas überraschenden Wegggang von Trainer Martin Jol hat nun auch Manager Dietmar Beiersdorfer seinen Platz geräumt.
Nun hinterlässt der Sportchef neben einem riesigen Loch was die Planung angeht auch einen paralysierten Club. “Wir müssen das Schiff wieder flott kriegen“, sagte Aufsichtsrats-Boss Horst Becker einen Tag nach dem mehrstündigen Krisengipfel.
Zwar haben die Norddeutschen in Bruno Labbadia einen neuen Cheftrainer, aber nicht ansatzweise einen neuen Spieler in Aussicht. Sicher ist: Der starke Mann beim HSV ist und bleibt Präsident Bernd Hoffmann. Auch wenn er dabei seine Kompetenzen überschritten, in dem er sich in Beiersdorfers sportlichen Bereich breit gemacht und hinter seinem Rücken an der Planung des Kaders für die kommende Saison gearbeitet haben soll, ist er der große Gewinner im Machtkampf.
Der dpa gestand Becker nun, dass er “schon am Freitag vergangener Woche gespürt” habe, “dass es ganz, ganz schwer wird, Dietmar Beiersdorfer zu halten. Es ist seine Entscheidung. Er wollte nicht mehr. Alle Argumente haben nicht mehr geholfen.” Die Forderung “entweder er oder ich” soll laut Becker aber nicht gestellt worden sein. Offensichtlich war der Sportdirektor, dessen Vertrag bis 2010 laufen sollte, die andauernden Querelen mit Hoffmann leid. Schon bei der Trennung von Ex-Trainer Thomas Doll, an dem Beiersdorfer länger festhalten wollte, lagen beide im Clinch. Bei der 177-tägigen Suche nach einem Nachfolger für Huub Stevens hatte der abwägende und nachdenkliche Beiersdorfer grundsätzlich andere Vorstellungen als der impulsive Macher Hoffmann, ehe sich beide auf Jol einigten.
Wer Beiersdorfer in dieser sensiblen Phase der Saisonplanung ersetzen soll, ist ungewiss. Als erste Namen wurden unter anderen bereits die beiden früheren HSV-Profis Nico Jan Hoogma und Thomas von Heesen, der frühere Schalke-Manager Andreas Müller sowie der langjährige Hertha-Macher Dieter Hoeneß gehandelt. “Wir können niemanden aus dem Hut zaubern. Aber wir müssen ganz schnell Ruhe in den Verein bringen“, mahnte Becker. Verantwortlich für die Transferaktivitäten ist zunächst Hoffmann, der sich dabei auf den Rat von Ex-Spieler Sergej Barbarez stützen kann. Der Bosnier gehört seit fünf Monaten dem Aufsichtsrat des Vereins an. Über seine Rolle als möglichen Nachfolger für Beiersdorfer soll aber nicht gesprochen worden sein, versicherte Becker.
Hoffmann schwärmt zwar stets, dass man sich europaweit kaum einen attraktiveren Arbeitsplatz als den HSV vorstellen könne, Beobachter sehen das aus der Distanz anders. Ein Jahr vor dem Beiersdorfer-Aus hatte bereits Vorstandsmitglied Christian Reichert die Flucht ergriffen. Grund: unüberbrückbare Differenzen mit Hoffmann.
Ob dem erfolgsbesessenen und machtorientierten HSV-Vorsitzenden nun reihenweise Sportchef-Kandidaten die Tür einrennen werden, ist zu bezweifeln. “Der Aufsichtsrat hat deutlich zu verstehen gegeben, dass der neue Manager nicht alle Kompetenzen haben wird. Wer will da überhaupt kommen?”, fragte Ralf Bednarek, Vorsitzender der Fanvereinigung Supporters. Hoffmann glaubt, auch Leidenschaft und Erfolg auf dem Rasen mit wirtschaftlichem Kalkül organisieren zu können. Wer mehr Herzblut als kühle Berechnung einbringt, hat beim Vorsitzenden schlechte Karten. Ex-Trainer Jol klagte bei seinem Abschied laut “Bild”-Zeitung: “Hoffmann lebt in einem Märchen. Er will alle Spieler verkaufen, aber Titel holen.”
Die Anhänger des Vereins nehmen den Verlust des beliebten Beiersdorfer, der nach seinen Transfer-Coups mit zweistelligen Millionen-Erlösen als “Dukaten-Didi” gefeiert wurde, nicht klaglos hin. Mehrere Fans haben sich bereits zum Protest formiert. Die Supporters wollten nach dem Scherbengericht über Konsequenzen beraten. Vor wenigen Tagen hatten Vertreter der Scouting-Abteilung und des Nachwuchsbereiches sich solidarisch mit Beiersdorfer erklärt. Wie weit die Gefolgschaft geht, wird sich zeigen.