HSV unter Schock: Martin Jol vor Absprung

Eigentlich sollte die Verpflichtung von Trainer Martin Jol “neue Ära” beim Fußball-Bundesligisten Hamburger SV einläuten – doch nun scheint das Engagement des Übungsleiters nach nur einer Saison bereits wieder beendet.

Denn einem Bericht von “Bild.de” wird der Chefcoach die Hanseaten wieder verlassen und beim niederländischen Rekordmeister Ajax Amsterdam anheuern. Beide Clubs bestätigten bereits, über einen eventuellen Wechsel Jols zu verhandeln. “Es gibt Gespräche“, so HSV-Aufsichtsratschef Horst Becker gegenüber der dpa. Niederländischen Medienberichten zufolge hat Jol, der beim Bundesliga-Dino noch einen Vertrag bis 2010 besitzt, die Ajax-Offerte bereits angenommen. Der Bundesligist wollte aber einen Abschluss des Wechsels nicht bestätigen. “Ich kann dazu nichts sagen“, sagte Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer vor der HSV-Arena.

Nur drei Tage nach dem Erreichen des Minimal-Ziels Europa League schockte die Nachricht nun die HSV-Anhänger. Schließlich ist der Club, trotz der bitteren 19 Derby-Tage gegen Werder Bremen, unter der Regie Jols aufgeblüht. Erstmals seit 26 Jahren erreichte der HSV wieder ein Europapokal-Halbfinale, zudem standen sie in der Vorschlussrunde des DFB-Pokals und spielten lange um die deutsche Meisterschaft mit. Bundestrainer Joachim Löw würde Jols-Abschied aus Deutschland jedenfalls bedauern, da sich der HSV unter dem “hervorragenden Trainer” weiterentwickelt habe. “Er hat neue Ideen und Impulse nach Deutschland gebracht“, sagte Löw.

Auch wenn keiner der Beteiligten zunächst für Klarheit sorgte: Jols abrupter Weggang nach nur 53 HSV-Pflichtspielen scheint beschlossene Sache. Laut “Bild.de” geht es nur noch um die Ablöse, dann soll der 53-Jährige für drei Jahre bei Ajax unterschreiben und die Nachfolge des ehemaligen Bondscoachs Marco van Basten antreten. Die Verhandlungen würden nach Angaben von Insidern “in einer äußerst freundlichen Atmosphäre” ablaufen, berichtete der niederländische “Telegraaf”. Der Knackpunkt dürften die Ablösemodalitäten werden, da Ajax “den Deutschen keine Transfersumme bezahlen” wolle.

Bereits am vergangene Woche soll es erste Gespräche zwischen Jol und Ajax gegeben haben. Grund für die sich anbahnende Trennung könnten Differenzen zwischen Jol und den HSV-Machern um Bernd Hoffmann über das künftige sportliche Konzept sein. Während Hoffmann und Beiersdorfer für ein etwas vorsichtigeres Transfergebaren plädieren, warb Jol für eine aggressive Einkaufspolitik und die Verpflichtung von millionenteuren Topstars. Davon machte er in einem Interview mit “11Freunde” (Juni-Ausgabe) indirekt auch seinen langfristigen Verbleib abhängig. “Wenn ich eine Perspektive sehe, etwas Großes zu erreichen, könnte ich mir vorstellen, noch drei, vier Jahre hier zu arbeiten“, sagte Jol. Dafür müsse man sich aber “innovativ verstärken, mit viel Geld. Man kann nicht groß denken und klein handeln” Er betonte: “Wenn ich diese Perspektive nicht habe, dann bin ich enttäuscht, böse, frustriert.”

Der TV-Sender NOS berichtete, Jol könne sich sogar bis 2014 an den Heimatclub des einstigen HSV-Kapitäns Rafael van der Vaart binden. Die Verhandlungen sollten schnell abgeschlossen werden. Ajax wolle auch die Mitglieder des technischen Trainerstabs von Jol beim HSV übernehmen. Der Club sei aber auch darauf vorbereitet, dass der Wechsel nicht zustande kommt. Für den Fall soll der ehemalige Ajax- Kapitän Danny Blind das Traineramt übernehmen. Er ist derzeit technischer Direktor bei dem Traditionsclub.

Jol war erst vor dieser Saison als Nachfolger seines Landsmanns Huub Stevens an die Elbe gewechselt und von Hoffmann nach schier unendlicher Trainersuche von 177 Tagen am 21. Mai 2008 als “absolute 1A-Wahl” vorgestellt worden, mit dem der HSV eine “neue Ära” beginnen wolle. Nun wird daraus wohl nur ein Kurz-Gastspiel. Als erster Nachfolgekandidat wird nach Informationen der “Hamburger Morgenpost” der ehemalige Schalke-Coach Mirko Slomka gehandelt.