Emotionaler Abschied von Oliver Kahn

Oliver Kahn hat eingehüllt in einer FC Bayern-Fahne die Fußball-Bühne verlassen. Keiner der 69.000 Fans in der schon lange vorher restlos ausverkauften Allianz Arena saß in der 75. Minute, als der Torwart-Titan vom Feld ging, mehr auf seinen Plätzen um den scheidenden Keeper zu feiern.

Der 39 Jahre alte Kahn drehte zu den Klängen von “Time to say Goodbye” seine allerletzte Ehrenrunde und sorgte somit für den Höhepunkt eines emotionalen Abends. Auch FCB-Coach Jürgen Klinsmann klatschte Beifall. Die ehemaligen Mannschaftskollegen sowie die Nationalspieler standen ergriffen am Spielfeldrand und bildeten am Ende ein Spalier für den dreimaligen Welttorhüter.

Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte der Schlussmann nach seiner Auswechslung. “Das war das Größte, was ich in meiner Karriere erlebt habe – und das zum Abschluss. Das war heute der Gipfel für mich. Hut ab“, sagte der ehemalige Nationaltorwart und ging unter tosendem Applaus der Anhänger allein in die Katakomben. Auf seinem Weg in die Umkleidekabine, der von einer Kamera begleitet wurde, riefen die Fans noch minutenlang “Oli”. Das Remis (1:1/0:1) zwischen dem deutschen Rekordmeister und der DFB-Auswahl geriet zur Nebensache. Als letzter Torschütze gegen Oliver Kahn kann sich der Hamburger Profi Piotr Trochowski eintragen, der in der 33. Minute das perfekte Torwart-Ergebnis verhinderte. In der 51. Minute stellte Miroslav Klose den Endstand her.

Rund 30 Minuten vor dem Anpfiff zum “Spaßspiel für die Zuschauer” (Bundestrainer Joachim Löw) grüßten internationale Trainer- und Fußballgrößen, unter anderem Jose Mourinho und Luis Figo, ehemalige und aktuelle Mitspieler, aber auch der langjährige Konkurrent Jens Lehmann via Stadionleinwand den 39 Jahre alten Protagonisten des Abends. “Mit seiner Einstellung war er immer ein Ansporn für mich“, sagte der mit Pfiffen bedachte Vize-Europameister Lehmann. “Mir hat es immer gefallen, wenn er nach außen etwas bösartig rübergekommen ist“, sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge.


Auf dem Rasen der seit Wochen ausverkauften Allianz Arena rollten Tanzgruppen weiße Stoffbahnen aus, auf denen die größten Erfolge des 86-maligen Nationalspielers abgedruckt waren: darunter acht Meistertitel, sechs Pokalsiege, der Gewinn des Weltpokals, der Champions League und des UEFA-Cups. Als Höhepunkt der Ouvertüre wurde an den Torpfosten und im Mittelkreis ein Feuerwerk entzündet.

Um 20:00 Uhr schritt der dreimalige Welttorhüter des Jahres endlich durch den Spielertunnel, nahm nach 140 Europapokaleinsätzen, 557 Liga-Partien und 86 Länderspielen letztmals die Stufen zum Rasen, wurde vom Blitzlichtgewitter der Fotografen geblendet und von den 69.000 Zuschauern gefeiert. “Ich warte schon so lange auf den einen Moment”, sang die Gruppe “Ich & Ich”, die mit ihrem Hit “So soll es bleiben” die Eröffnungs-Show vor der Abschieds-Gala abrundete.

Vor dem Anpfiff durch Schiedsrichter Markus Merk, der am 17. Mai an selber Stelle beim letzten Saisonspiel FC Bayern München gegen Hertha BSC mit dem 339. Bundesliga-Einsatz seine Karriere beendet hatte, verabschiedeten sich auch DFB-Präsident Theo Zwanziger, Ligaverbands-Präsident Reinhard Rauball und der dreiköpfige Bayern- Vorstand mit Rummenigge, Uli Hoeneß und Karl Hopfner von Kahn. Nach einer langen und innigen Umarmung beschenkte Manager Hoeneß seinen langjährigen Vorzeige-Profi mit einem Gamshut. “Ein Titan geht, doch eine Legende bleibt”, hatten Fans auf ein Plakat gepinselt. “Wir vermissen dich jetzt schon”, stand auf einem anderen Transparent.

Auch wenn das Geschehen auf dem Rasen zunächst dahinplätscherte und wenig Erhellendes bot, feierten die Fans den Bayern-Keeper mit Kahn-Gesängen – und beschimpften dessen Ex-Konkurrenten mit “Lehmann, du Arschloch”-Sprechchören. Es passte zu dem Abend der Harmonie, dass daraufhin Hoeneß zum Mikrofon griff. “Heute ist nicht der Zeitpunkt für solche Dinge. Heute ist der Tag der Versöhnung“, sagte er.


Friedlich ging es auch auf dem Spielfeld zu mit Sommerfußball im Herbst. Die DFB-Elf begnügte sich beim Aufgalopp für den Start in die WM-Qualifikation am kommenden Samstag in Liechtenstein sowie vier Tage später in Finnland mit dem von Bundestrainer Löw geforderten Trainingsspiel. Nur der Gladbacher Marko Marin und Bastian Schweinsteiger, einziger Bayern-Profi im weißen Deutschland-Dress, zeigten anfangs ihre Dribbelkünste und prüften Keeper Kahn.

Nach dem Wechsel brachte Löw alle sechs Ersatzspieler, darunter Bremens Torhüter Tim Wiese und die Rückkehrer Andreas Hinkel und Christian Pander. Mit 850 geladenen Gästen sollte in einem VIP-Zelt anschließend eine rauschende Party steigen. “Fast alle, die mich begleitet haben, kommen“, hatte Kahn angekündigt.

Oliver Kahn bedankt sich nach seiner
Auswechslung bei den Fans.