EM 2008: Diskussion um annullierte Gelb-Rote Karte

Guus Hiddink, Trainer der russischen Mannschaft, fand lobende Worte für den Schiedsrichter – die Elftal verstand die Welt nicht mehr: Der slowakische Schiedsrichter Lubos Michel sorgte mit seinem annullierten Feldverweis im Viertelfinal-Spiel Russland gegen die Niederlande (3:1) für Verwirrung.

Im Anschluss an die Begegnung hat es heftige Debatten unter Fußball-Fans und Fachmännern gegeben. Eugen Strigel, DFB-Schiri-Lehrwart, sprach sogar von einer der eklatantesten Fehlentscheidungen bei einem EM-Turnier. In einen Interview mit der dpa sagte Strigel: “Regeltechnisch war das falsch.”


Was war in Basler St. Jakob Stadion geschehen? In der 90. Minute legte der Russe Denis Kolodin an der Seitenlinie den Niederländer Wesley Sneijder und nahm dafür vom Schiedsrichter Michel die Gelb-Rote Karte in Empfang. Sein Schiedsrichterassi winkte gleichzeitig hektisch mit seiner Fahne. Michel eilte hinüber und nahm nach einer kurzen Rücksprache die Gelb-Rote wieder zurück. Der Unparteiische zeigte an, dass das Spielgerät vor dem Foul die Torauslinie bereits überschritten hatte. Das Spiel wurde mit Abstoss für die Russen anstatt mit Freistoss für Oranje fortgeführt.

Wenn der Schiedsrichter die Gelbe Karte gibt, kann er dies nicht mit der Begründung aufheben, der Ball sei vorher im Aus gewesen. Das Ganze war für mich ziemlich verworren und die Entscheidung schleierhaft. Denn jede Unsportlichkeit, die ein Spieler zwischen dem Betreten und Verlassen des Feldes begeht, kann geahndet werden. Er hätte den Feldverweis nur korrigieren dürfen, wenn ihm der Assistent bedeutet hätte, dass das Foul nicht gelb-würdig war“, redete Strigel Klartext und fügte hinzu: “Ich bin auf die offizielle Begründung gespannt.”

Am heutigen Sonntag kam die Begründung von der der Schiedsrichter-Kommission der UEFA: “Lubos Michel nahm seine Entscheidung deshalb zurück, weil er nach Rücksprache mit seinem Assistenten zur Meinung kam, dass das Foul von Kolodin an Sneijder nicht gelb-würdig gewesen war“, lautete es in der Erklärung. Allerdings bleibt ein Geheimnis, ob der mehr als 60 Meter entfernt stehende Assi den Schiedsrichter, der sich immerhin auf Ballhöhe befand, tatsächlich explizit darauf aufmerksam gemacht hatte.


Der Schlussmann der Niederländer, Edwin van der Sar hingegen konnte die Entscheidung nicht nachvollziehen. “Warum war das nicht Gelb-Rot? Darf man einen Spieler attackieren, wenn der Ball vorher im Aus war?”, fragte der Keeper. “So durften die Russen mit elf Spielern weitermachen. Das war nicht okay. Vielleicht wäre das Spiel sonst anders gelaufen.”

Strigel vermutet: “Michel hat spontan gehandelt und sich dann erschrocken, als er feststellte, dass der Spieler bereits verwarnt war und er Gelb-Rot ziehen musste.” Verwundert äußerte er sich darüber, dass der Unparteiische erst nach dem Feldverweis Kontakt mit seinem von Hiddink bedrängten und später belobigten Assistenten aufgenommen hatte. “Es gibt drei Arten, den Schiedsrichter aufmerksam zu machen: Die Fahne sowie ein Piep- und ein Kommunikationssystem. Warum es mit der Verständigung so lange gedauert hat, ist für mich nicht nachvollziehbar“, sagte Strigel.


(dpa)
Schiedsrichter Michel (l) zeigt Kolodin (r) die Rote Karte.