Der freie Fall von 1899 Hoffenheim

“Rambos” auf dem Platz, ein übereifriger Cheftrainer Ralf Rangnick, ein wütender Mäzen Dietmar Hopp und ein Mannschaftskapitän Selim Teber, der schon mal mit dem Abrechnen anfängt: Die Traumfabrik von 1899 Hoffenheim zeigt erste Risse.

Der “Dorfclub” fiel so tief ab wie zuvor kein anderer Herbstmeister in der Fußball-Bundesliga. Seit neun Partien wartet der Bundesliga-Neuling nun schon auf einen dreifachen Punktgewinn. “Die Zeit ist gekommen, dass wir aufhören zu träumen. Es kann schon sein, dass ein paar denken, dass sie die Superstars sind“, sagte Teber, der Hoffenheim zum Ende der laufenden Saison den Rücken kehrt und sich deshalb wohl auch nicht mit seiner Meinung zurückhält. Nach der peinlichen 0:3-Pleite gegen Kellerkind VfL Bochum sagte der Reservist. “Wenn man nicht alles gibt, dann gibt es eben auf die Mütze.”

Rangnicks einstigen Musterknaben bekommen ihren Zauberfußball aus der Hinrunde einfach nicht mehr hin und bringen sich inzwischen selbst um die Früchte ihrer Arbeit: Spielgestalter Carlos Eduardo ging nach einem Ellbogencheck gegen Philipp Bönig bereits zum dritten Masl innerhalb eines Jahres vorzeitig zum Duschen. Keeper Daniel Haas sah ebenfalls Rot, als er Stanislav Sestak derart ungebremst ummähte, dass dieser einen Salto schlug. “Verlieren darf man. Aber dass man durch Unbeherrschtheiten so ein Spiel aus der Hand gibt, ist fast unverzeihlich“, meckerte Hopp in der “Bild am Sonntag”. Carlos Eduardo musste sich nach der Keilerei mit HSV-Stürmer Ivica Olic im Testspiel im Januar in Spanien schon eine Standpauke von Manager Jan Schindelmeiser anhören, “aber er hat die Botschaft nicht verstanden.” Dem Brasilianer dürfte als Wiederholungstäter eine etwas längere Zwangspause ins Haus stehen.


Die Saison ist noch nicht zu Ende. Wir haben nicht vor, den Spielbetrieb auslaufen zu lassen“, erklärte Rangnick trotzig und mit hochrotem Kopf. Der vom Ehrgeiz getriebene Perfektionist hatte in der Woche ein dreitägiges Trainingslager im Schwarzwald angesetzt. Bilder im Stadionmagazin zeigten die gehetzten Profis beim Sprint-Training. “Jetzt ist der Psychologe Rangnick gefragt. Trainingslager finde ich jetzt nicht so gut, lieber mal abschalten und der Mannschaft wieder das Vertrauen schenken“, empfahl Ex-Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld als Premiere-Experte. Mittelfeldmann Sejad Salihovic wunderte sich jedenfalls: “In der zweiten Halbzeit haben wir aufgehört zu laufen.”

Rangnick hatte einen Tag vor der Pleite erstmals Platz fünf als Saisonziel ausgegeben. “Nach einem solchen Spiel“, räumte er nach dem Abpfiff vor 30.150 Fußball-Fans in der ausverkauften Rhein-Neckar-Arena ein, “verbietet es sich, über den Tabellenplatz zu reden, sonst werden wir nicht mehr ernst genommen.” Es gehe jetzt nur darum, mal wieder zu gewinnen. “Es fehlt einfach der letzte Wille. Der Trainer muss jetzt die elf Besten finden, die bereit sind, sich reinzuschmeißen und das nächste Spiel zu gewinnen“, meinte Teber.


Die Hoffenheimer kämpfen nicht nur mit einer “Ergebniskrise” (Rangnick), sondern mit zahlreichen Baustellen in der Mannschaft. Zum Beispiel zwischen den Pfosten, wo nach Haas’ Feldverweis der bereits abgeschriebene Österreicher Ramazan Özcan stand. Ob der am Knie verletzte Ex-Nationaltorwart Timo Hildebrand bis zum Baden-Derby am Samstag beim Karlsruher SC wieder fit wird, ist fraglich.

Die Tor-Produktion hatte der Aufsteiger dieses Mal völlig eingestellt. Der für den verletzten Vedad Ibisevic geholte Boubacar Sanogo gehörte nicht mehr zu den Vorarbeitern und saß erstmals nur auf der Bank. Fast nach Belieben traf dafür einer, den Hoffenheim im Winter verpflichten wollte: Der Slowake Sestak war als dreifacher Torschütze (42./55./69. Minute) Bochums Mann des Tages. “Wir haben dankend abgelehnt“, meinte der Sportliche Leiter des VfL, Thomas Ernst, zur damaligen Anfrage des Gegners.