David Jarolim – HSV-Musterspieler und Provokateur

Eigentlich hat David Jarolim, wenn er in Heimatstadt Prag reist, Urlaub. Doch heute war es anders. Der Mittelfeldakteur vom Fußball-Bundesligisten Hamburger SV muss im UEFA-Cup ausgerechnet gegen seine Heimatmannschaft Slavia Prag spielen – eine Dienstreise, die dem Profi so gar nicht schmeckt.

Das habe ich mir nicht gewünscht. Darüber kann ich mich nicht freuen“, sagte der 29 Jahre alte Teamkapitän der Hanseaten. Weil der Club unter der Regie von Vater Karel Jarolim steht, weil sein Cousin Marek dort aktiv ist, weil Mutter Jaroslava und Schwester Anett hin- und hergerissen sind, war es besonders emotional.

Jarolim gehört beim Bundesliga-Dino zur Kategorie Musterprofi. Er ist ein Kilometerfresser, ein Ballschlepper, ein Arbeitstier. Fällt er verletzt oder gesperrt aus, mangelt es dem Spiel des HSV an Dynamik und Vorwärtsdrang. Was Kapitän Jarolim anpackt, hat Hand und Fuß – es sei denn, er fabriziert einen Leichtsinns-Querpass wie am Donnerstag vor sieben Tagen im UEFA-Cup-Spiel gegen Ajax Amsterdam (0:1) zum entscheidenden Gegentor. “Danach konnte ich nicht schlafen“, berichtete der durchtrainierte Blondschopf, der seine Muskeln regelmäßig in der “Folterkammer” stählt. Auch Vater Karel musste seinem Filius telefonisch Trost spenden.


Jarolim ist aber nicht nur jedermanns Liebling. Mit seiner Spielweise polarisiert er auch. Gegnerische Teams entwerfen von ihm mitunter gar ein Feindbild. Ihr Vorwurf: Pfeift der Schiedsrichter Freistoß für den HSV, liegt meist Jarolim am Boden. Tatsächlich gehört der 19-fache Nationalspieler zu den meistgefoulten Akteuren der Bundesliga. Gegenspieler behaupten, Jarolim provoziere Fouls und sei ein Schwalben-König. Bayer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler, der von einem “theatralischen Fallen inklusive dreifacher Rollen” sprach, und auch Wolfsburgs Trainer Felix Magath sind gar nicht gut auf Jarolim zu sprechen. Der weist alle Vorwürfe von sich. “Meine Spielweise zieht die Fouls vielleicht an. Ich gehe gerne in 1:1-Situationen, suche die Duelle Mann gegen Mann“, entgegnete der Tscheche.

Jarolim ist der Sport praktisch in die Wiege gelegt worden. Vater Karel hat 13 Länderspiele für die Tschechoslowakei bestritten und verdiente als Profi seine Brötchen in Frankreich; Mutter Jaroslava spielte Volleyball, ihr Bruder Eishockey; sein drei Jahre älterer Bruder Lukas – laut David Jarolim der “beste Freund” – ist als Fußball-Profi in Italien bei AC Siena aktiv; die 19-jährige Schwester Anett ist ein hoffnungsvolles Tennis-Talent.


Seit 2003 spielt Jarolim beim HSV. “Er ist ein Spieler von internationalem Format, mit allen Wassern gewaschen“, urteilte HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer über den Mittelfeldantreiber, der nach dem Wechsel von Rafael van der Vaart zu Real Madrid zum Kapitän berufen wurde. Sein Vater allerdings hätte ihn lieber als Tennis-Profi gesehen. Dann wären ihm auch die emotionsbeladenen Familien-Duelle im Fußball erspart geblieben. (dpa)